P-F-O – taugt das auch in der heutigen VUKA Welt? Prof. Steiner im Interview mit Dr. Katharina Berghof

KB: Geschätzter Herr Prof. Steiner, heutzutage ist oft die Rede von der komplexen, unsicheren und mehrdeutigen Welt in der wir leben, die sogenannte VUKA-Welt. Was halten Sie in diesem Zusammenhang vom Paradigma der PFO – der Performance Fokussierten Organisation? Ist das eine mögliche Antwort?

RS: Liebe Frau Berghof, danke für Einladung zum Interview. Also gleich vorweg. „Paradigma“ finde ich ein wenig überzogen, wenngleich das Konzept der PFO aus meiner Sicht ein in sich schlüssiges und integriertes Konstrukt ist. Was mir dabei besonders gefällt ist die Auffassung von Organisationen als Trinität, man könnte es auch als „organisatorische Dreifaltigkeit“ interpretieren.

KB: Interessanter Zugang. Wer ist dabei Schöpfer, Erlöser und Heiliger Geist?

RS: Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich meine das nicht blasphemisch, sondern als Metapher. Die Linie – oder besser gesagt die Stammorganisation – ist der Ursprung oder die Quelle. Dort sind die Vision, die Mission oder die Geschäftsidee sowie die Kernwerte verankert. Ebenso das Leitbild und die Strategie sowie die Marktpositionierung. All dies findet sich in der „Gott-Vater“-oder Schöpfer-Rolle. Die wesentlichen Aspekte hinsichtlich Identität einer Organisation, wie auch Kernkompetenzen und Know-how lassen sich also hier zuordnen.

KB: Und Jesus ist dann die Konkretisierung dieser Ideen? Die tatsächliche Umsetzung?

RS: Ja, so sehe ich das. Jesus Christus steht für die Operationalisierung der Strategie in Form von Prozessen und Kundenorientierung. Erst durch die Mensch-Werdung wird die Botschaft Nächstenliebe zur konsequente Umsetzung durch Vorleben. Bei Unternehmen bedeutet dies das bedingungslose Zugehen auf den Kunden, das geduldige Bemühen Kundennutzen zu erzeugen und die Leidenschaft, sich laufend verbessern zu wollen.

KB: Also kleine oder größere Wunder für die Kunden zu bewirken. Ich verstehe. Begeisterung kann ja auch ansteckend sein. Begeisterte Mitarbeiter*innen bewirken begeisterte Kunden. Und was bleibt dann für den Heiligen Geist über?

RS: Der Geist steht für den Spirit, für Innovation, für das Neue. Projekte – als temporärere Organisationen verstanden – bewältigen zielgerichtet neuartige, komplexe, dynamische, riskante Herausforderungen, also Aufgaben, die über die Routine-Prozesse hinaus gehen.

KB: Also, wenn ich das jetzt recht verstanden habe, repräsentieren die Stammorganisation Identität & Strategie eines Unternehmens. Prozesse die effektive Umsetzung von Kundenversprechungen. Und Projekte sind der Spirit für das Weiterentwickeln und Neuschaffen. Aber lässt sich das in der Praxis wirklich so differenzieren?

RS: Das ist ein höchst relevante und spannende Frage. Aus meiner Sicht geht es hier vor allem um das Thema Komplexitäts-Differenzierung.

KB: Sie meinen die Triage-Idee?

RS: Im Prinzip ja. Triage bedeutet ursprünglich ein Vorgehensmodell zur effektiven Versorgung von Verletzten/Verwundeten. Möglichst viele retten. Später wurde diese Konzeption im Prozessmanagement aufgegriffen. Einfache Prozesse – komplexere Prozesse – Sonderfälle. Und wenn man das auf die Organisation als Ganzes überträgt, dann ermöglicht das Flexibilität. Einfache Abläufe und Tätigkeiten werden in der jeweiligen funktionalen Abteilung abgewickelt. Komplexe, wiederkehrende abteilungsübergreifende Verkettungen von Tätigkeiten mit Kunden-Fokus werden als (Routine-) Prozesse abgewickelt. Und schließlich werden Projekte für jene Zielsetzungen realisiert, die über die Best Practice Standard-Prozesse hinausgehen.

KB: Verstehe. Aber gibt es nicht auch Kunden-Projekte? Wie zum Beispiel Auftragsabwicklung, die sich laufend wiederholen?

RS: Das ist ein gutes Beispiel um die PFO greifbar zu machen. Die Komplexitätsdifferenzierung lässt sich hier folgendermaßen veranschaulichen: Ein simpler Auftrag, die Lieferung einer „0815“ Lösung erfolgt durch Versenden eines Standardteils aus dem Lager, und dabei ist nur der Teilbereich Versand tätig. Ein normaler Auftrag folgt einem Standard-Prozess. Hier werden bestehende Module bzw. Komponenten basierend auf konkreten Anforderungen zu einer passenden Lösung konfigurieren, diese dann geprüft und schließlich verschickt. Mehrere Abteilungen sind involviert und arbeiten an einer integrierten Kundenlösung. Einen Auftrag als Projekt abzuwickeln macht dann Sinn, wenn viele Unsicherheitsfaktoren und Neuigkeitsaspekte vorhanden sind. In diesem Fall wird ein Projektteam zusammengestellt und ein einmaliger „Sonder-Ablauf“ konstruiert, der in der Abwicklung auch zyklisch adaptiert und überarbeitet wird. Die Anforderungen müssen erst erhoben und verifiziert werden, mögliche Umsetzungsvarianten konzipiert und bewertet, die Implementierung pilotiert und User geschult werden.

KB: Und wo ist die Grenze?

RS: Tja, es ist die Aufgabe jeder einzelnen Organisation zu definieren, wie viel Standardisierung möglich ist und ab wann sich der Aufwand von Projektmanagement rentiert. Über das sogenannte Kontinuum Projekt-Prozess können wir uns gerne beim nächsten Mal unterhalten. Vorerst nur ein Stichwort: „Projektwürdigkeitsanalyse“. Dabei wird nicht geklärt, ob eine Aufgabe durchgeführt werden soll oder nicht, sondern, ob sie als Projekt organisiert werden soll. Insofern gefällt mir bei der PFO der Aspekt der Performance sehr gut, nämlich die Organisation in „Form“ zu bringen für die aktuellen Herausforderungen der VUCA-World: Per-Form-ance.

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Mag.a Dr.in Katharina Berghof, BCL consulting GmbH, Senior Consultant, Internationaler Projekt- und Programm-Coach

Prof. Dr. Robert Steiner, Abteilung für Change und Development sowie Gründer und Leiter der Trias-Consulting